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Freitag, 11. Januar 2019

Personal: Ich bin hochsensibel. Und das ist ok.

Edit: Version 19.01.2018, Überarbeitung Headline & Fotos 08.01.2019

*Falls ihr auf dem Smartphone lest, dann dreht den Bildschirm quer. Meine Posts sind darauf ausgelegt, den breiten Screen zu bedienen. So erkennt ihr alle Details und Fotos besser! Viel Spaß!

 ** Dieser Beitrag enhält Werbung für Marken, unbeauftragt. Ein Service von mir, für euch, zur Inspiration... 

 

 



Heute spreche ich hier ein Thema an, das persönlicher nicht sein könnte. Ich habe so lange überlegt, ob ich überhaupt darüber schreiben soll, aber ich glaube es hilft mir, mich selbst akzeptieren zu können und vielleicht hilft es auch jemand anderem da draußen. Ich habe eine Hochsensibilität. Und das beeinflusst mein Leben beträchtlich. Was das bedeutet, wie ich mich damit fühle und wie ich damit umgehe, erfahrt ihr heute...

 


Als Kind war ich nachdenklich. Oft in mich gekehrt, hatte zwar viele Freunde, verstand aber bestimmte Probleme einfach nicht. Streit mit meiner damaligen besten Freundin hing mir wochenlang nach. Für sie war es nur eine kleine Außeinandersetzung wegen zweier Barbiepuppen, für mich brach jedoch eine Welt zusammen. Dass ich das heute noch weiß zeigt, wie intensiv das war. Ich machte mir ständig Gedanken was wohl die anderen über mich denken - ob ich komisch auf sie wirke, anders. So, wie ich auf mich selbst wirkte. Ich fragte mich, wie ich das am besten verstecken kann, wie das weniger auffällt. Wurde stiller, versuchte Fehler zu vermeiden. Als Teenager war ich mir selbst oft fremd. Ich merkte immer wieder, dass ich irgendwie anders bin, Dinge anders wahrnehme und bestimmte Erlebnisse nicht erleben kann, weil das für mich irgendwie unmöglich umsetzbar war. Clubbesuche waren nicht machbar. Viel zu viele Menschen, eingepfercht in kleine dunkle Räume, alle dem Druck ausgesetzt möglich frei zu feiern, Spaß zu haben. Und ich machte mir nochmal so viel Druck möglichst cool und ausgelassen zu wirken, als wäre das alles ein Klacks. Als würde mir das wirklich etwas geben. Tat es aber nicht. Es war nur eins: Anstrengend. Und so war ich in meinem Leben genau zweimal in einem Club. Und das war okay. Auf Zeltpartys ging ich anfangs auch, bis es mir auf einmal zu viel wurde, ich mir schon Wochen vorher zu viele Gedanken darüber machte - und feststellte: Auch das ist anstrengend. Viel zu viel.


Und lange war ich der Überzeugung, dass da wohl etwas mit mir nicht stimmt. Dass ich vielleicht eine Therapie brauche, was ich mich aber einfach nicht traute. Und ich begann dann mich selbst zu informieren, gezielt in Angstsituationen einzusteigen. - Viele von euch haben hier auf dem Blog mitbekommen, dass ich im letzten Frühling oft alleine unterwegs war. Viele haben meine Beiträge aus Köln, Düsseldorf und Co gelesen, als ich zwei Stunden Zugfahrt alleine auf mich nahm, nur um mich in ein Café oder Restaurant zu setzen und dann wieder heim zu fahren. Viele meiner Freunde und Bekannten fragten warum ich das mache, was das alleine bringen soll und wie das Spaß machen kann. Meine Antwort heute: Selbsttherapie! Denn ich muss endlich lernen mich auf mich selbst verlassen zu können. Mich selbst respektieren und einordnen zu können. Und was andere mit einem Fingerschnips lösen können, dauert bei mir lange, kostet mich mehr Kraft. Aber warum eigentlich? Was ist falsch mit mir?


Meine Erkenntnis im letzten Jahr, von der ich euch erst jetzt hier das erste Mal überhaupt erzähle: Ich bin hochsensibel! 


Hochsensibilität ist tatsächlich eine Defintion für das was ich fühle, erlebe und wer ich bin. Und das wusste ich bis vor kurzem nicht einmal. Wie gesagt war ich schon immer irgendwie anders, konnte aber nicht definieren warum, weil ich ja nur das fühle was ich eben fühlen kann. Und das war ja für mich immer Maß der Dinge, ganz normal eben! Dass das nicht wirklich normal war, stellte ich früh fest und machte mich selbst zum Opfer, vor mir selbst. Ich fragte mich immer wieder was denn nur falsch mit mir ist. Warum verstanden mich die anderen nicht? Konnten meine Gefühle nicht einordnen. Ich fragte: "Hast du schonmal einen Kinofilm gesehen, der dich aus irgendeinem Grund so traurig machte, dass du auf dem Heimweg nur geschwiegen und in deinen Gedanken festgehangen hast? Und hat dich das stundenlang danach noch aus der Bahn geworfen, irgendwie getroffen, obwohl du nicht beschreiben konntest wieso?", Und ich traf auf Kopfschütteln, auf Unverständnis. Nein, weil so niemand fühlt. 

"Du bist eben sehr sensibel.", hat meine Mama immer gesagt, wenn ich in meinen Teeniejahren durch einen Kommentar einer Person so heftig reagierte, dass ich in Tränen ausbrach. "Sei nicht so eine Memme. Reiß dich mal zusammen und nimm nicht alles so ernst!", sagte mir mal einer meiner Lehrer. "Du musst stärker sein, trau dich!", hörte ich wohl öfter als alles andere. Und ja, ich versuchte es. Weil es musste ja wahr sein, wenn das alle so sahen. Zu zart besaitet?

 

Etwa 15 - 20% der Bevölkerung ist hochsensibel, habe ich gelesen. Das ist aber nur eine Schätzung, denn Hochsensibilität ist ein Phänomen, dass nur so wenig erforscht ist, dass es nicht als Krankheit oder psychische Störung anerkannt ist. Und darüber bin ich sehr froh, denn ich glaube das hätte mich wohl noch mehr aus der Bahn geworfen!

Aber was genau ist das eigentlich - Hochsensibilität oder Hypersensibilität? Und woher weiß ich, ob ich "nur" normal sensibel, sehr sensibel oder eben hoch sensibel bin? 


Nach dem was ich online in verschiedenen Texten erfahren habe gibt es keine genau Definition, denn wie bei allem was der Mensch so sein oder fühlen kann, gibt es natürlich Abweichungen. Hochsensible Menschen nehmen also Reize stärker wahr als "normale Menschen". Bei mir äußerte sich das zum Beispiel in starken Kopfschmerzen nach einem Stadtbesuch, enormer Müdigkeit nach schwierigen Aufgaben oder unangenehmen Gerüchen, die ich so stark wahrnahm, dass mir schlecht wurde. Gedanken zu Themen, die mich aufwühlten, auf die mein Körper mit Flucht aus der Situation, Brechreiz oder Durchfall reagierte. Von jetzt auf gleich.

Diese Reize werden besonders verarbeitet, hängen dem hochsensiblen Menschen oft noch lange nach. Hochsensibilität wirkt sich auf alle Sinne aus, nicht gleichzeitig, aber oft parallel. Dazu gehört zum Beispiel Geräuschempfindlichkeit (Ich hasse das Geräusch der Schneeschieber auf dem Boden, höre Flugzeuge am Himmel so laut wie den Rasenmäher im Garten des Nachbarn, kann nicht beim Fernsehen einschlafen.), intensiveres Sehen, Riechen oder Schmecken. Und ich habe "die Gabe" einschätzen zu können wie die Stimmung einzelner Menschen ist. Ich kann mein Gegenüber meist genau einschätzen und das macht mich oft unsicher. 

Ein weiteres Merkmal kann, nach dem was ich gelesen habe, auch der große Sinn für Gerechtigkeit (ich hasse wenn jemand ungerecht behandelt wird, oder Gewalt gegen Tiere angewandt wird, dann brodelt es unaufhörlich in mir!), ein hohes Bedürfnis nach Harmonie und Liebe (Streit mit den Menschen, die mir wichtig sind ist ein Weltuntergang - ich ziehe mich dann zurück und leide wirklich, bin aber gleichzeitig unfähig das zu ändern!) und eine extreme Schmerzempfindlichkeit (was ich zum Glück nicht habe!) - oft wird hier von einem besonderen sechsten oder siebten Sinn gesprochen, den hochsensible Menschen haben: besondere Empathie, Ahnungen oder sogar Visionen. Ob man das aber wirklich ernst nehmen sollte, weiß ich nicht. Ich habe keine Erfahrungen damit.


Was bei mir besonders auftritt:


Das klingt doch jetzt fast alles super, wenn man das so liest? Ja, teilweise, denn ich erlebe - und das weiß ich erst jetzt - mehr vom Leben! Aber, weil vieles so intensiv ist, hat das ganze auch seine Schattenseiten. Vor allem als ich noch nicht wusste was ich da habe, warum ich bestimmte Dinge so erlebe, wusste ich nicht wie ich darauf reagieren soll. Ich dachte immer, dass ich anders und irgendwie falsch bin und konnte das alles auch niemandem wirklich verständlich machen. War oft einsam und überfordert, vor allem in der Schule. Ich wollte keine Fehler machen, mich nicht schämen müssen und habe damit oft alles irgendwie schlimmer gemacht, weil ich gar nichts gemacht habe. Nicht mitgegangen bin, mich eingeigelt habe, still und alleine war. Ich neige zur Depression, weil ich mich selbst zu viel bemitleide und durch das stärkere Erleben meiner eigenen Emotionen immer zu sehr in Gefühle hinein rutsche. Und mittlerweile kann ich das tatsächlich ganz gut regulieren, zumindest weiß ich, wie ich erst gar nicht in diese Selbstzweifel hinein komme. Aber das klappt nicht immer. Und ich kann auch nicht immer, in jeder Situation und mit jedem Menschen ungezwungen und "normal" sein. Besonders schlimm reagiere ich immer noch auf Beleidigung, Kränkung, wenn ich unterschätzt werde oder man mir Dinge nicht zutraut. Oder bei starker Überforderung, neuen Situationen , die mit hohem Stress verbunden sind. Aber das wird!


Seit ich weiß, dass es viele Menschen gibt, die so fühlen, so reagieren, fällt es mir deutlich leichter zu leben. Klingt übertrieben? Gut, so fühle ich eben ;-) Ich weiß jetzt, dass das okay ist und, dass nicht ich der Sonderfall bin, sondern viele Menschen solche Sonderfälle sind. Und das macht mich mutiger und ich kann mich selbst ein bisschen auf Situationen trainieren, anderen Menschen erklären wer ich bin und was ich kann oder nicht kann. Und das macht mich glücklicher. 

Auch jetzt habe ich noch Ängste, aber viel weniger, weil ich mehr verstehe. Und ihr jetzt vielleicht auch! Ich will mich hier für nichts rechtfertigen oder entschuldigen, denn ich habe super viele Fehler gemacht, vor allem im Umgang mit mir selbst und meinen Freunden. Aber ich verstehe jetzt besser. Und auch wenn es noch ein lange Weg ist, den ich gehen muss, damit das alles "normaler" wird, indem ich mich besser verstehe, bin ich auf dem richtigen Weg! Und das ist wunderbar.


Was ich mir wünsche? Dass ihr mich nicht verurteilt und vor allem beurteilt! Dass ihr hinnehmt was ich aufgeschrieben habe und akzeptiert, dass ich so bin und daran glaube damit nicht alleine zu sein. Ich weiß, dass dieses Phänomen der Hochsensibilität zu wenig erforscht und zu vage formuliert ist. Aber es ist das was ich fühle und das hat nichts mit "anstellen" oder "übertreiben" zu tun. Und ich möchte weder hören, dass ich mich wie eine Pubertierende verhalte, falschen Mustern folge oder mir Dinge einrede - denn das habe ich oft genug gehört!

Nehmt es hin, lasst es wirken, erkennt euch vielleicht selbst wieder und schaut vor allem über euren eigenen Horizont hinaus. Danke.


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6 Kommentare

Jojo hat gesagt…

Hey Alena, das ist super interessant, habe da schon mehrfach drüber gelesen, gerade auch bei Melina im Buch "Verstecken gilt nicht". Das Witzige ist, dass ich prinzipiell auch viele "Symptome" auch mich beziehen kann/könnte, aber mir es nie schlecht damit ging oder ich es vielfach als etwas sehr Positives wahrgenommen habe und manche Züge davon sehr schätze, weil es einen nicht nur "sensibler" macht, sondern auch "einfühlsamer" und "verständnisvoller". Ich glaube, Hochsensibilität ist definitiv real und existent, aber nichts Schlimmes und vor allem auch etwas, das man in den Griff bekommen kann und die augenscheinlich negativen Aspekte irgendwann nicht mehr so stark gewichtet. Deine Erkenntnis und Selbstreflexion diesbezüglich beweist das ja – und das ist ein guter Weg.
Also: Keep going. :-)

Liebe Grüße,

Jojo <3

Lookslikeperfect Blog hat gesagt…

Liebste Jojo,
Danke für deine Worte dazu! Ja, es ist interessant, was für mich aber irgendwie der falsche Begriff ist (ohne das natürlich böse zu meinen <3), denn interessant ist es nur so lange du die negativen Seiten nicht spürst. Für mich war es immer eher anstrenged, so lange ich nicht wusste warum genau ich Dinge wahrnehme wie ich das eben tue. Das Dumme ist, dass ich selbst nie auf die Idee kam, mich darüber zu informieren. Aus Angst wahrscheinlich. Ich habe es hingenommen und das ist einfach doof!
Ich verstehe was du meinst, wenn du sagst, dass du vieles davon an dir selbst positiv aufnimmst,aber nicht als schlecht empfindest. Ich schätze dann bist du sehr sensibel und hast auch viele dieser Züge. Mein Problem war immer eher das "Nicht Verstehen" von mir selbst, das Negative daran. Ich habe einfach über die Jahre zu viel Negatives hinein interpretiert und das ist mein Problem.
Danke für deine Motivation <3

Alena

Lidia hat gesagt…

Ich hab auch erst sehr spät verstanden, dass ich anders bin als andere. Mittlerweile überwiegen die Vorteile über die Nachteile. Meine Empathie und schnelle Auffassungsgabe sind sowohl im Beruf als auch im Privatleben mein Ass im Ärmel. Dafür brauche ich in sozialen Beziehungen immer wieder eine Auszeit. Brauche Zeit für mich, um zu regenerieren. Dabei hoffe ich immer, dass es einem nachgesehen wird. Umso schöner finde ich es, wenn Menschen wie du das Thema endlich einmal ansprechen und ich wette, wenn einige meiner Freunde oder Kollegen deinen Text lesen würden, würden sie mich soo viel besser verstehen. Also Danke dir für die schönen und ehrlichen Worte. :) Liebe Grüße, Lidia

Mama hat gesagt…

Du bist eine so mutige und starke Persönlichkeit geworden, Hut ab!

Anonym hat gesagt…

Hey, du schreibst mir aus der Seele. Auch mir ging es so und vor allem (was noch viel schwieriger ist) habe ich eine 12-jährige Tochter, die auch hochsensibel ist. Sie (und damit auch die Familie) leidet in schlechten Phasen sehr und es ist schwer mit den Ängsten und aufkommenden Problemen umzugehen - erst Recht, da ich selbst ja genau weiß, wie sie sich fühlt. Sie ist noch wesentlich sensibler als ich - Kino geht gar nicht, Urlaube nur schwierig.... selbst ein "normaler" Tag wird oft zur Herausforderung. Leider ist sie dann auch noch sehr schmerzempfindlich und mit jedem Schmerz kommt dann wieder die Angst! Ich habe mich die letzten Jahre viel mit diesem Thema beschäftigt, Bücher gelesen, die Hilfe eines Kinder- und Jugendpsychologen in Anspruch genommen.... wir sind auf dem richtigen Weg.... aber es ist oft wirklich schwierig und wir kommen an unsere Grenzen. Leider kann sie die positiven Seiten noch gar nicht einschätzen und annehmen - aber ich hoffe, dass das mit zunehmendem Alter besser gelingt. Danke für Deinen Artikel und alles Liebe und Gute und viel Kraft für die Zukunft.
- Daniela

Elisabeth-Amalie hat gesagt…

Danke für deinen sehr offenen und wirklichen tollen Beitrag. Es war sicher nicht einfach, darüber zu schreiben. Sowas kostet Mut. Deine Selbsttherapie finde ich bemerkenswert. Dazu benötigt man viel Kraft und Überwindung. Ich finde es sehr spannend, darüber zu lesen. Vielleicht magst du ja zu einem späteren Zeitpunkt erneut darüber berichten. :)

Liebst Elisabeth-Amalie von Im Blick zurück entstehen die Dinge


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